Aufmunterung

an den Geheimen Rath Freyherrn von Labes, wegen seiner Betrübniß über Peter den dritten

[293] (Den 20ten des Weinmonaths 1762.)


Der du des Glückes Eigensinn ertragen,

Und itzt in seiner Freundes-Schooß

Auf samtnem Sessel wirst getragen,

O Labes, Patriot! verwandle deine Klagen

In Saitenspiel, und laß nicht mehr Gedanken fragen:

Warum dein Peter fiel? der strahlenreich und groß

Der hohen Sonne glich, die Gottes Erde wärmen,

Und seine Majestät den Menschen zeigen muß!

Ihn wecken Seufzer nicht, auch nicht ein Thränenguß

Geströmt auf heilige Gebeine;

Sein Engel, sonst umcränzt mit Morgensternes Licht,

Verhüllet itzt sein Angesicht

Und wirft sich nieder, daß er weine,[294]

Und würde, wär es ihm erlaubt,

Den Schöpfer aller Wesen fragen:

»Warum der hohen Ceder Haupt

Von schnellem Blitze ward zerschlagen?

Warum der Todes Engel schlug

Den Herrscher über Nationen,

Der in erhabner Brust so viel Entwürfe trug,

Die Tugend, das Verdienst, die Künste zu belohnen?

Und den, den schon sein Fleiß erhub.

Noch glänzender empor zu heben?«

Er ist nicht mehr! der Staub begrub

Den, der ein Königreich, ein Land zurückzugeben,

Mehr Seeligkeit, mehr Lust genannt,

Als wenn er von dem Kayser-Sitze

Des diamantnen Zepters Spitze

Zu fremder Bothen Stirn gewandt!

Er ist nicht mehr. Ihn segnet Preussen

Noch in der Ewigkeit; ihm thönet Lobgedicht,

Wenn Friedrichs Seufzer von ihm spricht;

Und Engel horchen zu, und heissen

Ihn göttlich, wie sein Freund ihn nennt!

Er ward der Erde nicht gegönnt;[295]

Wir sind zu klein, zu dunkelsichtig

Den Rathschluß einzusehn, der alle Dinge richtig,

Schon eh er sie gemacht, bestimmt,

Und Cronen geben kann, so wie er Cronen nimmt.


Gott ist nicht über uns ergrimmt!

Ruf deinen Geist mit schnellem Fluge

Zurück von Peters Todtenkruge,

Und blick' als Vaterlandes-Freund,

Auf jenen grossen Siegesbogen,

Durch welchen Friederich in seine Stadt gezogen!1


Von hohen Hügeln sah' der Feind

Mit starrem Auge zu, die Schaam auf blasser Wange,

Und seine Krieger, die sich lange

Herab gewehrt vom hohen Wall,

Stehn waffenlos, und taub von starkem Jubelschall

Der Bürger und des Siegesheeres;

Und Friedrichs grosse Feindin stößt[296]

Aus ihrer Brust herauf ein schweres

Und bittres Ach; So hat, da Griechenland erlöst

Durch seine Helden ward, der Perser fortgestossen

Bleyschwere Seufzer aus der Brust;

So klopfte seiner unbewußt,

Das Herz erschrocken in dem grossen

Pompejus, als sein Heer entwich,

Und er von dicker Staubes Wolke

Davon belehrt zurück in ödes Lager schlich.


Furcht fühlt die Herrscherin von mehr als einem Volke.

Der Adler hat sein Felsen-Nest

Mit starken Flügeln überbreitet;

Und Heinrich, der für uns am Erzgebürge streitet,

Bleibt muthig, wachet, und verläßt

Der Berge Spitzen nicht, bis vor dem Leoparden

Entfliehet jedes wilde Thier.

Dann singen seinen Sieg des Vaterlandes Barden,

Und goldne Tage leben wir!

Fußnoten

1 Die Vestung Schweidnitz wurde den 8ten des Octobris 1762 wieder erobert.


Quelle:
Anna Louisa Karsch: Auserlesene Gedichte, Berlin 1764, S. 293-297.
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