An den Frieden

[219] Wohin, wohin, du Himmelssohn, o Friede?

Was soll der sonngewandte Blick?

Willst du, des Menschenumgangs müde,

In deine Heimath schon zurück?


»Ich will zurück. Zwar rinnt die Abschiedszähre;

Doch ach! ich muß; denn schau umher!

Die mir errichteten Altäre

Sind leer, von Opferflammen leer.


Erhoben haben sich zum Menschenwürgen

Die Erdenwaller ohne Zahl.

Krieg! donnert's schrecklich von Gebirgen,

Krieg! hallt's entsetzlich nach im Thal.


Der Mordgeist kommt in dumpfen Schwefeldüften;

Sein Auge rollt in rother Gluth,

Ein Wetter brüllt um seine Hüften,

Und seine Sohle steht in Blut.


Siehst du das Schattenungeheuer?

Es kommt, es kommt der Welt zum Fluch;

Und lockt den Adler, Weih' und Geier

Mit der Gemordeten Geruch.


Der Ozean erschrickt ob Menschenleichen,

Die seine Woge wälzen soll.

Die heiße Sonne brütet Seuchen,

Von Jammer ist die Erde voll.


Von Stambuls Pforte bis nach Peters Thürmen

Herrscht Zwist, geboren aus der Nacht.

Sind, den Olympos zu bestürmen,

Giganten wieder aufgewacht?


Ich kann nicht sehn ergrimmter Krieger Haufen,

Kann nicht die blasse Mutter sehn,

Nicht Wittwen sich die Haare raufen,

Und Waisen ohne Hülfe flehn;[220]


Nicht sehn den Bräutigam mit hohlen Augen,

Und neben ihm die junge Braut,

Das Blut mit blassen Lippen saugen,

Das aus der Todeswunde thaut.


Kann nicht die Tempel Gottes rauchen sehen,

Und ach den armen Landmann nicht

Vor der zerstörten Hütte stehen

Mit gramzerrissenem Gesicht.


Drum flieg' ich auf im Schimmer ew'ger Jugend

Zu Gott, der segnend auf mich blickt,

Bis Er, gerührt durch eure Tugend,

Mich wieder auf die Erde schickt.«

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 219-221.
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