44. Pflügerlied

[307] Arbeitsam und wacker

Pflügen wir den Acker,

Singend, auf und ab.

Sorgsam trennen wollen

Wir die lockern Schollen,

Unsrer Saaten Grab.
[307]

Auf- und abwärts ziehend

Furchen wir, stets fliehend

Das erreichte Ziel.

Wühl, o Pflugschar, wühle!

Außen drückt die Schwüle,

Tief im Grund ist's kühl.


Neigt den Blick zur Erde,

Lieb und heimlich werde

Uns ihr dunkler Schoß:

Hier ist doch kein Bleiben;

Ausgesät zerstäuben

Ist auch unser Los.


Säet, froh im Hoffen;

Gräber harren offen,

Fluren sind bebaut;

Deckt mit Egg' und Spaten

Die versenkten Saaten,

Und dann: Gott vertraut!


Gottes Sonne leuchtet;

Lauer Regen feuchtet

Das entkeimte Grün.

Flock, o Schnee, und strecke

Deine Silberdecke

Schirmend drüber hin!


Ernten werden wanken,

Wo nur Körner sanken;

Mutter Erd' ist treu.

Nichts wird hier vernichtet,

Und Verwesung sichtet

Nur vom Keim die Spreu.


Die vor uns entschliefen,

Schlummern, in die Tiefen

Ihrer Gruft gesät;

Länger wird es säumen,

Bis die Gräber keimen,

Gottes Saat ersteht!
[308]

Wer um Tote trauert,

Glaub' es, ewig dauert

Nicht der Aussaat Zeit.

Aus enthülster Schale

Keimt im Todesthale

Frucht der Ewigkeit!

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 41, Stuttgart [o.J.], S. 307-309.
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