Ein klaggesprech über die bitter unglückhaftige lieb

[261] Eins morgens gieng ich aus spazieren,

für einen grünen walt refieren,

da hört ich ein heimlich gesprech,

in einem busche in der nech

tet ich durch das gestreus nein schauen,

da saß ein gsell bei einer frauen;

ich lost zu irem freuntlichn sagen,

da war es nichts den bitter klagen.


Das freulein spricht.


Das freulein in senlich ansach

und seufzent zu dem jüngling sprach:[261]

herzlieb, wie sich ich dich so selten,

sag mir doch, wes muß ich entgelten?


Der jüngling antwort.


Der jüngling fieng widerumb an:

vil geng ich dir zu lieb hab tan

und dich doch nie ersehen kunt;

des trauert ich von herzen grunt,

dacht, dein hult ich verloren hab,

all freuntschast die wer tot und ab,

die eifersucht brach mir mein herz,

die sensucht bracht mir heimlich schmerz.


Das freulein spricht.


Sie sprach: weist nit mein treuen mut?

ich hab gewagt leib, er und gut

mit dir, ist iezunt das mein lon?


Der jüngling spricht.


Der jüngling sprach: herzlieb, far schon,

der argwon bracht mich auf das spor,

weil ich dich nit sach oft wie vor.


Das freulein spricht.


Das freulein sprach: der klaffer vil

die sehen uns gnau auf das spil;

wo ich dich bei dem tag vernim

oder hör bei der nacht dein stim,

zum fenster darf ich nit aussehen,

förcht, dir möcht auf der gaß was gschehen.


Der jüngling spricht.


Er sprach: nechten wars mir nit weit,

es jagten mich umb mettenzeit[262]

mit bloßer wer der schergen hauf

eben gleich für dein tür herauf.


Das freulein spricht.


Sie sprach: erst machst mir sorgen mer,

unglück reit mich, wo ich hin ker,

mein man wil mir auch nimmer trauen

und tut gar eben auf mich schauen.


Der jüngling spricht.


Der jüngling sprach; merkt es dein mon,

erst bleib ich nit, ich wil darvon,

es kost sonst mein und deinen leib.


Das freulein spricht.


Erst wart betrübt das zarte weib

und umbfieng den jüngling mit armen,

sprach: bleib und tu dich mein erbarmen!


Der jüngling spricht.


Der knab wart wider zu ir jehen:

dein brüder mich tückisch ansehen,

als ob sie merken unser lieb;

nit gut wer, das ich lenger blieb.

darmit das freulein er umbfieng,

nam urlaub, traurig von ir gieng;

sie wunt ir hent und rauft ir har.


Der beschluß

Da dacht ich mir: und das ist war,

das in der süßen lieb verborgen

ligt so vil ungelücks und sorgen,

klag, eifersucht und klafferei,

senen und trauren mancherlei,[263]

ich geschweig des letzten abscheiden,

ein leiden sonst ob allen leiden,

das sel und leibe macht vil schmachs.

stampadahin! so spricht Hans Sachs.


Anno salutis 1568., am 25. tage Septembris.


Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Zweiter Theil: Spruchgedichte, Leipzig 1885.
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