Die goltgrub

[110] In der saurweis Hans Vogels.


26. septemb. 1538.


1.

Plutarchus uns klerlich beschreibe,

nachdem als Pytheus, der könig reiche,

ein köstliche goltgrub het funden,

im geiz er gar ersturbe

Und seine burger heftig treibe,

im bergwerk zu arbeiten allgeleiche,

die irer gscheft nit warten kunden,

darob mancher verdurbe.

Zusam kamen all frauen

und giengen zur künigin aus vertrauen

mit klag,

das sie hülf machen ende

der großen arbeit schwer;

wo kein mittel darin zu suchen wer,

verdürb das volk ellende.

freuntlich die küngin sprache:

»get frölich hin, iede an ir gemache!

ich wil euch hilflich sein,

e das vergen zwelf tag;

doch schweiget allgemein.«
[110]

2.

Die künigin heimlicher, weise

berufet all goltschmit der ganzen state

und ließ sie auf das künstlichst machen

ein tisch aus lauter golde,

Darzu von golt allerlei speise,

ganz höflicher art, schon nach allem rate.

als der könig nach disen sachen

heim kam und eßen wolde,

Bereit man den golttische,

darauf war gulden brot, vögel und fische

künstlich.

der könig frölich wure

und lobt des werkes kunste;

aber doch zuletzt des hungers inbrunste

vexieret sein nature,

hieß im zu eßen bringen.

die frau bracht mer speis von guldenen dingen,

der küng sprach zornig ser:

»bring speis! es hungert mich!

golts darf ich ietz nicht mer!«


3.

Die künigin sprach: »lieber herr,

schau! du leßt niemant kein ru mit goltgraben;

das felt muß ungebaut verderben

und all hendel abnemen,

Dein volk verdirbt weit unde ferr

ob deim golt, des du selb kein nutz magst haben;

du must darbei selb hunger sterben.«

der künig tet sich schemen;

Nach den worten der frauen

ließ er den fünften teil der bürger bauen

das erz

und die andern vier teile

ließ er irs handels warten

in der werkstat, zu felt und am weingarten.

das kam dem volk zu heile[111]

und nam auf die ganz state

durch diser wunderweisen frauen tate.

des spricht Salomon: aus

der weisen weiber herz

erhalten wirt das haus.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 110-112.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Titan

Titan

Bereits 1792 beginnt Jean Paul die Arbeit an dem von ihm selbst als seinen »Kardinalroman« gesehenen »Titan« bis dieser schließlich 1800-1803 in vier Bänden erscheint und in strenger Anordnung den Werdegang des jungen Helden Albano de Cesara erzählt. Dabei prangert Jean Paul die Zuchtlosigkeit seiner Zeit an, wendet sich gegen Idealismus, Ästhetizismus und Pietismus gleichermaßen und fordert mit seinen Helden die Ausbildung »vielkräftiger«, statt »einkräftiger« Individuen.

546 Seiten, 18.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon