Der bauer mit der seuhaut

[177] In dem schwinden ton Frauenlobs.


26. mai 1545.


1.

Eins bauren sun der bet ein junges weibe,

die het ein schön blutroten rock,

darmit groß hoffart trieb,

Wan sie was geronig gerad von leibe,

gefurmet wie ein amboßstock.

der bauer het sie lieb;

Sie sprach: »mein man, ich hab dich holt,

und wan dich nem der tot dahin,

in mein rock ich dich neen wolt.«

der bauer funt ein sin,

ir lieb erfaren wolt, und fru

fur er bin in den walde,

sprach zum knecht Heinzen balde:

»mit schwarzberen mich wol bestreich

blutig und bleich,

eim toten gleich,

und mich heimleich[177]

leg balt auf den holzwagen dar,

deck mich mit reisig zu,


2.

Für mich heim, sprich, ein baum hab mich erschlagen.

wie sich mein frau doch stellen wert,

obs mich net in den rock.«

Der knecht tet, wie der bauer im tet sagen,

fürt in in hof heim mit eim pfert,

da lag er wie ein block.

Der knecht weint, rieb sein augen rot;

die beurin sprach: »was ist dir doch?«

er sprach: »unser bauer ist tot,

in erschlug ein baum hoch.«

sie sprach: »schau narr, ich mein, du hest

dich in ein fuß gehauen.«

den baureu tet sie schauen.

der knecht sprach: »sucht den rock herein,

das man net ein

den toten fein.«

sie sprach: »mir nein!

hol im stadel die alt seuhaut,

ist zum grabtuch das best.«


3.

Er bracht die seuhaut, darein tets in neen;

fuß und kopf raget im heraus;

die seuhaut war zu schmal

Sie sprach: »mein lieber man wie tustu seen,

wie sicht dein har, das vor was kraus!«

der tot man ließ ein schal

Und sprach: »ich sich wie ein seuhaut,

du grober, unverschamter bock!

ich het dir beßres zu vertraut.

ist dis dein roter rock?

erst hab' ich recht dein treu erkent.«

sie war ein list erdenken,

sprach: »narr, sol man nit schwenken?[178]

ich west wol, das du nit warst tot,

triebst nur dein spot.

mein rock blutrot

sol dir on not

werden, wan du halt morgen stürbst.«

so wart der narr geblent.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 177-179.
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