5. An eine Jungfrau

[7] Umb alles Gut unnd Geldt in diesem gantzen Lande

Erzehl' ich weder euch noch andern was zu Schande

Und weiß gewißlich auch, daß niemand sprechen kan,

Ich hab auß Feindschafft ihm was Leides angethan.

Ihr möget aber doch darneben kühnlich gleuben,

Daß ich ohn euch, Gott Lob, wol werd' im Leben bleiben,

Wil derenthalben auch mich nimmer unterstehn

Von wegen eurer Gunst mit Lügen umbzugehn.

Diß alles laß ich euch die Hofeleut' erzeigen,

Die prächtig Berg hinan mit Reden können steigen

Und jedes Wort auffziehn nicht ohne grossen Schein,

Auff daß sie so bey euch in Gnaden mögen seyn.

Sie thun wol einen Eyd, nicht dennoch ohne Lachen,

Daß euer' Augen auch die Sternen finster machen

Und daß sie heller sind denn alles Firmament,

Ja, daß die Sonne selbst auch nicht so hefftig brent.

Sie schweren hoch und sehr, daß Gott euch außerlesen

Vor aller Zierligkeit und allen schönen Wesen,

Und sagen, selig sey das Jahr und denn die Zeit,

In der ihr grosse Ziehr der Welt geboren seydt.

Sie sprechen wol darbey, daß ihr mit euren Blicken

Ein härter Hertz als Stein vermöget zu entzücken,

Daß auß America die beste Specerey

Mit eurem Athem weit nicht zu vergleichen sey,

Daß solche Hände nicht gemahlet werden köndten,

Daß gegen ihnen Schnee zu gleichen sey der Tinten,

Daß jedes Zähnlein sey ein köstlicher Demant,

An welches die Natur all' ihre Kunst gewandt,

Und daß die Lippen auch, so mehr als Rosen blühen,

Weit, weit den edelsten Corallen vorzüziehen:

Daß Haar (ich glaube nicht, daß es von Hertzen kömpt)

Ein jeglicher vor Gold und beste Perlen nimpt.

Sie setzen wohl hinzu, wenn sie euch reden hören,

Daß auch ein jedes Wort starck sey, sie zu versehren,[7]

Und daß der starcke Mars durch eurer Zungen Schein

Die Waffen abzuthun bereitet würde seyn.

Geliebet euch hernach von Venus was zu singen,

Die Winde könnet ihr mit eurer Stimme zwingen,

Und wenn ihr weiter auch euch zu der Lauten findt,

Ist Orpheus ungelehrt und gegen euch ein Kindt.

Wann ihr zu Felde kompt, wohin man euch sieht gehen,

Da sieht man alsobald die schönsten Blumen stehen;

In Summa, die Natur hat diß an euch gethan,

Daß eure Treffligkeit kein Mensch beschreiben kan.

Wie möcht' ich aber wol so falsch Erdachtes sagen,

Und groß' Auffschneyderey mit Langmut nur ertragen?

Ich glaube, welcher sich nimpt solcher Lügen an,

Er Feder und Pappier auch schamroth machen kan.

Und was dann mich belangt, bin ich gar nicht der Sinnen,

Daß ich also die Gunst verhoffe zu gewinnen,

So hat mein Hertze noch anjetzt ein solches Ziel,

Daß ich ihm ohne Kunst kan wehren, wann ich wil.

Ich sage freylich wol und weiß es war zu machen,

Daß ihr gar rein' und steiff bewahret eure Sachen,

Und daß auch sehr viel sindt voll Hoffart, Stoltz und Pracht

Die ihr gar weißlich doch nicht sonders habt in Acht.

Daß ich euch aber auch für göttlich solt' erkennen,

Man möcht' es, fürcht' ich nur, wol Träum' und Lügen nennen:

In eurem Leichnam ist zwar alle Zierligkeit,

Doch auch nicht wenig steht vom Himmel trefflich weit.

Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 7-8.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Weltliche Dichtungen
Weltliche und geistliche Dichtung, hrsg

Buchempfehlung

Suttner, Bertha von

Memoiren

Memoiren

»Was mich einigermaßen berechtigt, meine Erlebnisse mitzuteilen, ist der Umstand, daß ich mit vielen interessanten und hervorragenden Zeitgenossen zusammengetroffen und daß meine Anteilnahme an einer Bewegung, die sich allmählich zu historischer Tragweite herausgewachsen hat, mir manchen Einblick in das politische Getriebe unserer Zeit gewährte und daß ich im ganzen also wirklich Mitteilenswertes zu sagen habe.« B.v.S.

530 Seiten, 24.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon