Von der Ehe die Komödie

[56] Pierrot medisiert


Der Mond, der Mond, der Mond, der lästert mich! –

Schlittert er nicht (seht, seht!) auf glitzernd Füßen

mit meinem schwangren Fräulein minniglich

jetzt unter jenen Sommerbaum: zu süßen


dem zitzenstarrnden Weiberleib und sich

den bittren Erdentrunk? – aus speichelnd Drüsen[56]

aus seinem Mund erst feuchtend ihren Strich

und dann unter viel zotigen Exküsen


mit seiner blauen Sichel (quasi läutend:

so sirrts, so sirrts!) ihr ihre fettste Mahd

abmähnd –


Und Colombine schrie und schrie und schrie,

den letzten Rest des Hymens weg sich häutend

und ganz auftrennend ihres Schoßes Naht,


schrie: »Kam schon jetzt mein Söhnchen –

oder nie – – – –«


Pierrot läßt uns (in einem Brief an seine nunmehrige

Braut) einem Einblick in seine Dichterwerkstatt tun


Gleichschön gewölbt die Nägel deiner Zeh'n

und deiner Augen Weißes, diese beiden

erschimmerten, als schimmerten sie seiden

oder wie Perlen oder Mond – vor Schier-vergehn


nach mir! – Und wie Harzruch entquolls den zween

bräutlichen Brüstlein dir! – Und wie von Weiden,

aus denen sich die Knaben Flöten schneiden

um Ostern an den österlichen See'n:


von solchem Safte war dein Herz erfüllt

und strömte über ... durch die Herzschlucht brausend

herab! herab! ... so wie ein Sturzbach brüllt –


Ich aber lag vor deiner schlanken Pforte

und formte mir – in Fiebern, wie mit tausend

Zungen und Zungenspielen – nie erhörte Worte.


[57] Pierrot bemerkt ausdrücklich, daß er an diesem ersten Sonett Colombinens: »Farbenlehre« geheißen, welcher Titel indes noch nicht als der endgültige angesehen werden soll, nichts ... vornehmlich nichts an aller Interpunktion geändert


Mein Mond – erfüllte sich. (O Weibes Not! ...)

Ich schlief – getrennt von dir. Da scholl Gewinsel

– von meinem Hund – vor meiner Tür. (Gerinnsel

von Blut – die Schenkel längs – wie tat das rot! – –


weckte mich vollends ...) Auf. Zu dir ... Und bot

dir meine Hände: (»daß sie eine Insel

seien dir Uferlos-hintreibendem! – Ja – eine Insel!«)


Die Hände – schwer –; – schwer wie ein bleiern Lot

sanken sie mir – in deinen Schoß hernieder –

(Mein Mund – derweil – sog Küsse aus der leeren Luft ...)

und ruhten da – die Hände – immer wieder – –


und ruhten doch nicht, eh daß blauer Duft

aufquoll! aufquoll! aus einem weißen Gischte ...

eh daß (o Leibes Mystik!) Blau mit Rot sich mischte – – – –


Pierrot, da er seinen Vater begraben hatte


Pieta


Ihn, der mich zeugte ...! (Zeugte? Was ein Sinn!

Zähren, versiegt, versiegt! – Man »zeugt« nicht: man

faßt eine Dralle um die Hüfte an

und krault ihr scherzend um das flaumige Kinn


und langt ihr unter ihre Röcke dann

und – – grad als wüschest du ein altes Zinn[58]

mit heißem Zinnkraut ... wie die Kellnerin – –

fingern die deinigen Finger dann und wann – – – –)


Ihn, der mich zeugte ...! Ihn begraben haben ...!

Und nun zurückgekehrt von all dem sein ...!

– Soll ich mich ewig nur an Trauer laben


und nie mehr trinken feuriger Brüste Wein

und nie mehr hegen neue schießende Stöcke? –

Entblöß die Brüste und enthüll die Röcke!

Quelle:
Heinrich Lautensack: Das verstörte Fest. Gesammelte Werke. München 1966, S. 56-59.
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