Der 3. (18.) Kühlpsalm

[52] Als er den 11 Mertz von Calais ausreisend über Boulogne, Monstreil, Abbevill, Poix, Beauvais, Pontoyse, Denis am 7 tage den 17 Mertz glükklich mit seinem Hause in Paris kam; gesungen daselbst den 21 Mertz 1678. zur Danksagung.


1.

Danket Gott vor seine gnaden,

Der uns väterlich bewahrt,

Und auff unsern Weg vor schaden

Nun, wi ferner, güttig spart,

Das wir glükklich durchgekommen,

Und kein ungemach genommen,

Ob wir schon durch fremde Ort

Unsre reise sätzen fort,

Di uns fremder noch im glauben,

Weil si Gottesehre rauben.


2.

Merkt, was Satan ausgeschüttet

Vor verfluchten Menschentand!

Wer sich vor Fleischessen hüttet,

Wird vor einen Christ erkand.

Jesum aber schertzweis nennen

Heisset (leider!) Jesum kennen.

Ach zufolgen seinem trib

Heisset wahre Jesus Lib!

Und di Heilgen Gottes schmähen

Heisset ernst zu Gotte flehen.


3.

Alle plätze sind verbildert

Mit verdammten Götzendinst;

Christus Lebenslehr verwildert,

Menschensatzung bringt gewinst!

Wer den falschen Petrum ehret,

Christus Jünger mit verstöhret,

Und von heilger Warheit weicht,

Wird den Heiligsten vergleicht:[53]

Ja kan selbst vergöttert werden.

O verblendnis auff der Erden!


4.

Du hast, Vater, zugeschauet

Durch so viler Jahre raum!

Si vermahnet; si bedrauet!

Doch ist alles nur ein Traum.

Deine Knechte sind getödtet,

Das mit Blutt gantz Rom durchröthet!

Drum steh Rom mit Blutt belohnt,

Weil es sich mit Blutt bethront!

Rom hat bluttig angefangen:

Rom sei bluttig untergangen.


5.

Danket Engel, meine Brüder!

Danket herrlich, das so weit!

Singet mit mir Dankungslider!

Singt in Zeit und Ewikeit!

Meine Reis ist durchgebrochen,

Wi längst Gott der Herr versprochen,

Wi längst vor mir zugesagt.

Freut euch, Engel, das schon tagt,

Von der Mitternacht nach Morgen,

Und dis Sodoms Volk verborgen.


6.

Seh ich euch gleich triumffiren?

O mein Hertze spilet mit!

So vil tausend tausend Ziren

Reden von des Schöpffers gütt.

So vil tausend tausend wunder

Sind der beste Seelen Zunder

Das ich mehr und mehr entglüh,

Und in voller flamm auszih,

Um das Babel zubefeuren,

Und dem Erdengott zusteuren.


7.

Bleib, Jehova, mein Regirer!

Schenke täglich neue Krafft!

Libster Jesus! sei mein Führer[54]

Mit der gantzen Engelschafft!

Heiligstlichster Geist der Geister!

Bleibe meiner Sinnen Meister!

Zähme der Gedanken hauff!

Gib ohn anstos Reis und lauff!

So wird mich di Höll nicht sichten,

Noch auf mich di Pfeile richten.


8.

Las, Dreieiniger, gefallen,

Was mein Hertzewig ausdrükkt!

Auf dem Weltkreis ist nur lallen:

Gibstdu mehr, wird mehr geschikkt.

Du wirst ferner von den stürmen

Aus erbarmen uns beschirmen,

Leiten uns auf rechter bahn,

Das uns nimand schaden kan!

Du wirst, Gott, mir selbst begegnen,

Um uns mehr und mehr zusegnen.


9.

Danket Gott vor seine Gnaden,

Der uns väterlich bewahrt,

Und auf unserm Weg vor schaden

Nun, wi ferner, güttig spart,

Das wir glükklich durchgekommen,

Und kein ungemach genommen,

Ob wir schon durch fremde Ort

Unsre Reise sätzen fort;

Di uns fremder noch im glauben,

Weil si Gottesehre rauben.

Quelle:
Quirinus Kuhlmann: Kühlpsalter, Band 1 (Buch 1–4), Tübingen 1971, S. 52-55.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Kühlpsalter, Band 1
Der Kühlpsalter I: BD 1 (Neudrucke Deutscher Literaturwerke)
Der Kühlpsalter: Band 1

Buchempfehlung

Aristophanes

Die Wolken. (Nephelai)

Die Wolken. (Nephelai)

Aristophanes hielt die Wolken für sein gelungenstes Werk und war entsprechend enttäuscht als sie bei den Dionysien des Jahres 423 v. Chr. nur den dritten Platz belegten. Ein Spottstück auf das damals neumodische, vermeintliche Wissen derer, die »die schlechtere Sache zur besseren« machen.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon