An dieser Rede Außgeber

Geliebter Herr Amtsgehülffe/ dessen anmutige Rede/so er in Reimteutscher Sprach gethan/ und mit schöne Erinnerungen bemerckt/ hab ich nicht sonder Anmut gelesen/ darauß die Schärffe der gelehrten Zungen leichtlich abgenommen/ und ein sonderlich Belieben darob empfunden. Wann ich aber verstanden/ daß bey noch sich findendem Raum er etwas von meinen in gleicher Sach schwebenden Gedancken/ denselben außzufüllen/haben möchte/ als hab ich meine Liebe gegen jhm und seinem Gottbedienten Arbeiten zu bezeigen dieses Gesänglein/ von den sieben letzten Worten deß Herrn/ etwas anderst/ als sie sonsten ins gemein gesungen werden/ jedoch in gleicher Weise/aufgesetzt/ hiemit überschicken wollen.[344]


1.

Als Jesus an dem Creutze hieng/

in seinem Schmertzen er anfieng/

noch sieben Wort zu sagen/

die jeder Christ wol mercken soll/

in allen Lebens-Tagen.


2.

Zum ersten/ sprach er/ bitt ich dich/

verzeih es denen/ die an mich/

die Händ/ O Vatter/ legen/

dieweil sie/ was sie an mir thun/

noch nicht verstehen mögen.


3.

Darnach schrie er vom Kreutzesthron/

O Mutter/ sih/ hier ist dein Sohn/

befahl sie seinem Freunde/

daß/ wie man mit der Mutter soll/

ers treulich mit ihr meinte.


4.

Dann bald er auf die rechte Hand

sich zu dem frommen Schächer wandt/

und sagt: er werde heute

bey ihn im Paradeise seyn/

und fort auf alle Zeite.


5.

Drauff kehrt er sich in seiner Noht

zu seinem Vatter/ sprach/ mein Gott/

hastu mich dann verlassen?

Warumb/ O Vatter/ thustu das?

Wer kan den Jammer fassen?[345]


6.

Nach diesem eine kleine Weil/

bezeugt er nach der Menschen Heil

ein hertzliches Verlangen.

Er sagte laut: es dürstet mich/

den Labtrunck zu empfangen.


7.

Vnd als man ihm reicht Essig dar/

tranck er den nicht/ sagt: es ist gar/

mein Leiden ist geendet/

was mir mein Vater hat bestimmt/

das hab ich nun vollendet.


8.

Darumb sagt er das letzte Wort;

Nun Vatter/ weil ich gehe fort

auß diesem Elendleben/

weil ich in deine treue Hand

dir meinen Geist aufgeben.


9.

O meine Seele/ merck die Wort/

wann du must gehn vom Lebens-Ort/

wer sie weiß zu bewahren/

der wird von diesem Leben auß

gar wol und selig fahren.


Johann Vogel.


Ende.


Quelle:
Johann Klaj: Friedensdichtungen und kleinere poetische Schriften, Tübingen 1968, S. 332-333,344-346.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Friedensdichtungen
Friedensdichtungen und kleinere poetische Schriften

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Komtesse Mizzi oder Der Familientag. Komödie in einem Akt

Komtesse Mizzi oder Der Familientag. Komödie in einem Akt

Ein alternder Fürst besucht einen befreundeten Grafen und stellt ihm seinen bis dahin verheimlichten 17-jährigen Sohn vor. Die Mutter ist Komtesse Mizzi, die Tochter des Grafen. Ironisch distanziert beschreibt Schnitzlers Komödie die Geheimnisse, die in dieser Oberschichtengesellschaft jeder vor jedem hat.

34 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon