Liedlein

[298] Gestellt durch A.O.H.

Im thon: Wär Gott nicht mit uns/ etc.


1.

O Gott mein Herr wie wunderbahr

Spielestu mit den deinen/

Führest sie in Noth und gefahr/

Lesst sie ruffen und weinen/

Stellst dich frembd und von ihnen weit/

Daß sie fur großem hertzenleit/

Bald zu verzagen meynen.


2.

Gedencken du seyst gar von hauß/

Achtest nicht mehr ihr schreyen/

All' deine vorig gnad sey auß/

Wollst sie nicht mehr erfreuen/

Da sie doch an dich halten sich/

Vnd so von hertzen lieben dich/

Auch ihr boßheit bereuen.


3.

Du führst sie über Berg und Thal/

Durch ungluck vielerhande/

In großem trauren mannigmal

Zu Wasser und zu Lande;

Sie sind wie ein Schiff auff dem Meer/

Werden getrieben hin und her/

Ja/ offt durch ehr und schande.


4.

Aber O Herr wie sehr freundtlich

Lesstu dich darnach finden/

Zu rechter zeit erbarmstu dich/[299]

Mach'st alles Leit verschwinden/

Ein augenblick das trauren wehrt/

Dein Ewig gnad bald wiederkehrt/

Vnd helfft uns überwinden.


5.

Das ungewitter stillestu/

Vnd legst die wellen nieder/

Schaffst unserm hertzen Fried und Ruh'/

Erquickest unser glieder/

Nach großem Regen scheint die Sonn/

Nach traurigkeit kompt Freud und Wonn/

Drumb dancken wir dir wieder.


6.

O Gott bereit dein lob in mir/

Fur deine gnad unzehlig/

Vnd was noch ist zu leben hir

Im fleische hinderstellig/

Das laß mich leben dir allein/

Dir geb' ich mich/ dein will ich seyn/

Mach mich dir recht gefällig.


7.

Du bist mein Helffer ja allzeit/

Ohn dich ist doch sonst keiner/

Regier mein tritt daß ich nicht gleit/

Hertzlich begehr ich deiner/

Bey dir ist Täglich mein gebeth/

Mein geist des Nachts auch mit dir redt/

Mein Gott erbarm dich meiner.


8.

Vollführ dein angefangen werck/

Vermehr was du hast geben/

Du bist mein Auffenthalt und Sterck/

Meins Lebens Liecht darneben/

Herr gib dich mir/ dir geb' ich mich/

Halt mich bey dir bestendiglich/

In deiner forcht zu leben.
[300]

9.

Gib krafft daß mich im guten lauff/

Nicht mehr auffhalt noch hinder/

Welt-freundtschafft und ihr Acker-kauff/

Oder die funff Joch Rinder/

Auff daß ich mög' in deinem Sahl

Schmecken das Herrlich Abendmahl/

Der Außerwehlten Kinder.


10.

Ihrer freyheit in dieser zeit

Auch frölich mit genießen/

Laß all mein thun in lieb und leit

Zu deinem Lob ersprießen/

Helff und thu du/ was ich nicht kan/

Mit dir Herr Jesu/ fang ichs an/

Mit dir will ichs beschließen.


Amen.


Quelle:
Anna Ovena Hoyers: Geistliche und Weltliche Poemata, Amsteldam[!] 1650, S. 298-301.
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