Herr Bacchus

[38] Herr Bacchus ist ein braver Mann,

Das kann ich euch versichern;

Mehr, als Apoll, der Leiermann,

Mit seinen Notenbüchern.


Des Armen ganzer Reichtum ist

Der Klingklang seiner Leier,

Von der er prahlet, wie ihr wißt,

Sie sei entsetzlich teuer.


Doch borgt ihm auf sein Instrument

Kein Kluger einen Heller.

Den frohere Musik ertönt

Aus Vater Evans Keller.


Obgleich Apollo sich voran

Mit seiner Dichtkunst blähet:

So ist doch Bacchus auch ein Mann,

Der seinen Vers verstehet.


Wie mag am waldigen Parnaß

Wohl sein Diskant gefallen?

Hier sollte Bacchus Kantorbaß

Fürwahr weit besser schallen.
[38]

Auf, laßt uns ihn für den Apoll

Zum Dichtergott erbitten!

Denn er ist gar vortrefflich wohl

Bei großen Herrn gelitten.


Apoll muß tief gebückt und krumm

In Fürstensäle schleichen;

Allein mit Bacchus gehn sie um,

Als wie mit ihres gleichen.


Dann wollen wir auf den Parnaß,

Vor allen andern Dingen,

Das große Heidelberger Faß

Voll Nierensteiner bringen.


Statt Lorbeerbäume wollen wir

Dort Rebenstöcke pflanzen,

Und rings um volle Tonnen, schier

Wie die Bacchanten tanzen.


Man lebte so nach altem Brauch

Bisher dort allzunüchtern.

D'rum blieben die neun Jungfern auch

Von je und je so schüchtern.


Ha! zapften sie sich ihren Trank

Aus Bacchus Nektartonnen,

Sie jagten Blödigkeit und Zwang

Ins Kloster zu den Nonnen.


Fürwahr! sie ließen nicht mit Müh'

Zur kleinsten Gunst sich zwingen,

Und ungerufen würden sie

Uns in die Arme springen.


Quelle:
Bürgers Gedichte in zwei Teilen. Teil 1: Gedichte 1789. Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart 21914, S. 38-39.
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