Barrikadenklänge

Warum mein Herz nicht freudig schlägt

Zu all' dem Jubel, diesen Festen?

Mir ist's wie Ahnung stumm bewegt,

Ich traure mit des Volkes Besten.


Denn wer um Freiheit muthig rang,

Noch kann er sich zum Fest nicht laden;

Ein Kämpfer steht er, ernst und bang

An den Gedanken-Barrikaden.


Und trägt ihn noch, den schwarzen Flor,

Den er der alten Schmach getragen,

Und sieht in einem Meteor

Noch keine Sonne wieder tagen.
[3]

Wer in das Blut, das für ihn rann,

Sein Tuch, das thränenfeuchte, tauchte,

Auf diese rothe Fahne dann

Der Freiheit heiße Schwüre hauchte:


Der harret aus. Noch ist es nicht

Gelöst, das alte Mißverständniß,

Das Jahrelang dem neuen Licht

Verschlossen blieb – der Welterkenntniß.


Der reicht mit kindischem Vertrau'n

Die Siegerhand nicht hin versöhnend,

So lange noch herniederschau'n

Die alten Götzenbilder höhnend.


So lange noch ein Pferchsystem

Geschmiedet wird den Nationen,

Der Völker heiligstes Problem:

Der Herrschsucht Mühsal zu belohnen.


So lange Macht das Losungswort

In dem politischen Capitel,

So lange nicht die Hand verdorrt,

Die frech auslangt nach Kron' und Titel.
[4]

Kein deutsches Reich, nicht Schwarz, Roth, Gold!

O werft das Spielzeug aus den Händen.

Blickt in die Zukunft! drohend grollt

Der Himmel und wird Blitze senden.


Ein neues Reich, loh angefacht

Von segenbringenden Gewittern

Wird, eh' der neue Tag erwacht,

Die alte deutsche Nacht durchzittern.


Schon fühl' ich sein begeisternd Weh'n

Wie eines Gottes große Mahnung,

Den Sturm gewaltiger Ideen

In heiliger Sybillen-Ahnung.


Ich fühle: Ja, ein neu Panier

Wird Deutschlands Volk einst siegreich schwingen;

Der Menschheit Einendes Panier

Wird Allen die Erlösung bringen.
[5]

Quelle:
Louise Aston: Freischärler-Reminiscenzen. Leipzig 1850, S. 3-6.
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