104.

Durchbruch zum sieg.

[305] Im thon: Preiß, lob, ehr, ruhm in ewigkeit.


1.

Dein erbe Herr, liegt vor dir hier,

Und will im blut des lammes werden

Ein opffer, das geheiligt dir

Erkaufft sey von der last der erden.

Hastu uns nicht von feindes-hand erlöst?

Wie kommts, daß uns nicht diese hülffe tröst?


2.

Wir waren wie verirrte schaaf,

Die tod und höll in sich verschlungen:

Des feindes pfeil die hertzen traff,

Der schlangen gifft hatt uns durchdrungen.

Der drache tobt und herrschte in dem sinn,

Durch Lucifer in stoltz zu reissen hin.


3.

Mit diesen feinden hatte sich

Das thier in uns zum sieg vereinet,[305]

Die hölle hatt uns dürstiglich

Zu halten immerdar vermeinet;

Da lagen wir, erkanten uns selbst nicht,

Noch die gefahr, verdüstert, ohne licht.


4.

Nun offenbahr dich, Jesu bald

In uns, des Vaters werck zu enden,

Daß du in armer knechts-gestalt

Des feindes kercker mögest wenden.

Bestraff, zertritt, zerknirsch und treib ihn aus,

Befreye gantz von ihm dein tempelhauß.


5.

Ach, Herr des lebens, äussre dich

Mit voller stärcke in den deinen,

Die tag und nacht schreyn ängstiglich

Biß du als retter wirst erscheinen.

Wir halten an, biß daß dein jawort kömmt,

Den gantzen sieg und durchbruch uns bestimmt.


6.

Schau, wie soviel die schlang anläufft

Mit ihren trüglich-glatten worten:

Wie offt sich die bestürmung häufft,

Und manches schon ist mächtig worden.

Laß dein gericht nun über sie fortgehn,

Daß sie sich gantz muß außgestossen sehn.


7.

O! daß wir unser leben nicht

Lieb hätten auch biß in das sterben!

O daß der kampff schon wär verricht

Im blut des lamms von seinen erben!

Du Hertzog führ doch aus den schweren krieg,

Wir glauben, daß in dir nichts ist, als sieg.


8.

Nun müsse heyl, und macht und krafft

Dir, Gott und deinem Christus werden,[306]

Der den aus deinen himmeln schafft,

So uns und deiner weyde heerden

Verklagt vor dir! Herr! räche deine freund,

Die dir den ruhm zu geben sind gemeint.


9.

Halt uns in enge; biß uns mag

Die Tauff im Geist und feur durchziehen:

Der blut'ge kampff das leben wag,

Gantz aus der eigenheit zu fliehen;

Zu stehn vor dir entblößt, rein, arm und frey,

Daß nichts dem feind da zu betasten sey.


10.

So gehn wir durch die enge thür,

Die du vor uns wollst offen geben,

Zu dringen mit gewalt zu dir,

Genießend das erlösungs-leben,

So uns bey Gott ins heiligthumes statt

Melchisedech im blut erfunden hat.


11.

Ja! Amen! Jesu, treuer zeug,

Wer dürst, der glaubt; wer glaubt, der nimmet;

Wer nimmt, der hat das freuden-reich,

Weil die geschmückte lampe glimmet:

So geht man in eins bräutgams hochzeit-haus

Da ist die lieb, die theilt nur liebe aus.


12.

Noch eins, Herr, bitten wir von dir,

Daß wenn der sieg ist außgebohren,

Der arg uns doch nicht mehr berühr,

Und ewig hab sein recht verlohren.

Nach solchem sieg soll dein volck williglich

Im heil'gen schmuck dir opffern ewiglich!

Amen!

Quelle:
Gottfried Arnold, München 1934, S. 305-307.
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